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Eberbacher Steinbrüche

von Michael Hahl

Kulturlandschaftliche Spezialität und geotouristisches Potenzial

Sie sind Fenster in die Erdgeschichte, Relikte der Kulturgeschichte und Schauplätze der Technikgeschichte. Die alten Sandsteinbrüche rund um Eberbach verdienen es, im Rahmen eines umfassenden Gesamtkonzepts als kulturlandschaftliche und geotouristische Attraktionen für ein Bildungs- und Freizeitpublikum tourismuswirtschaftlich aufgewertet zu werden. Sie haben das Leben, die Menschen und die Wirtschaft der Stadt über lange Zeit hinweg immens mitgeprägt; aufgrund ihrer Vielzahl und der einst vor Ort gewonnenen Qualität ihrer Rohstoffe sind sie für Eberbach geradezu Alleinstellungsmerkmale. Unter ökologischen Aspekten gelten die aufgelassenen Steinbrüche heute zudem als besondere Biotope, die vielen auf diese Nische spezialisierten und teils sehr seltenen Arten wertvollen Lebensraum bieten.

 

Das Bild zeigt die Felswand eines der aufgelassenen Eberbacher Steinbrüche. Seit 1981 ist sie zusammen mit der Teufelskanzel und einem alten Niederwald als "NSG Kranichsberg" ausgewiesen.

Naturschutzgebiete (NSG) sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz geschützte Landschaftseinheiten, die dazu dienen, seltene Pflanzen und Tiere sowie spezielle Lebensräume zu schützen. Schützenswerte Lebensräume und Biotope sind in besonderem Maße auch ehemalige Steinbrüche, sofern sie nach dem Abbaubetrieb nicht als Deponiegelände genutzt und zugeschüttet wurden. Sie werten Kulturlandschaftsbild und Ökologie signifikant auf und schaffen Erlebnispotenziale für Einheimische und Touristen. Die historisch genutzten Steinbrüche sind Fenster in die Erdgeschichte, Relikte der Kulturgeschichte und Schauplätze der Technikgeschichte. Sie verdienen es, im Rahmen eines behutsamen und umfassenden Gesamtkonzepts als kulturlandschaftliche und geotouristische Attraktionen für ein Bildungs- und Freizeitpublikum tourismuswirtschaftlich aufgewertet zu werden.

 

Im Raum Eberbach liegen die großen aufgelassenen Steinbrüche vor allem im harten, verkieselten Pseudomorphosen-Sandstein. Diese dickbankigen Schichten, die teils durch dünne Lagen mit feinkörnigem Schluff getrennt sind, entstanden in der ersten Hälfte der zwischen 251 bis 243 Millionen Jahren vor unserer Gegenwart währenden Buntsandstein-Zeit. In „Mitteleuropa“ – oder in jenem Gebiet des einstigen Gesamtkontinents Pangäa, welches später einmal zu Mitteleuropa werden sollte – erstreckte sich in der Buntsandstein-Zeit eine weiträumige Ebene, eine flache Beckenlandschaft. Unter wüstenhaften Klimabedingungen durchzogen verzweigte Flüsse das Land, lagerten Sand, groben Kies oder auch tonige und schluffige Feinsedimente ab und fielen zeitweise trocken (episodische Wasserführung). Erst viel später, als sich ein erdgeschichtlich junger Fluss, der einst den Namen „Neckar“ erhalten sollte, tief in die uralten Buntsandstein-Schichten sägte, wurden die mächtigen Ablagerungen der „Neckartäler Sandsteine“ freigelegt.

 

Die Anlage des Steinbruchs am Kranichsberg geht mindestens bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück, dürfte aber als leicht zugängliches Abbaugelände noch weitaus früher entstanden sein. Im Januar 1840 heißt es in einer Akte, der Eberbacher Steinbruchbesitzer ließe den Abraum vom Kranichsberg einfach auf dem Leinpfad liegen, wodurch die Halfreiter nicht mehr vorankämen und die Treidelschifffahrt behindert würde. Solche Konflikte waren dereinst nicht selten; die Neckarstraße hatte jedoch auch immer eine unmittelbare für die Steinbruchbetreiber selbst, denn natürlich wurden die im Bruch gewonnenen Sandsteinquader über den Fluss weitertransportiert.

 

In Eberbach und in seinem unmittelbaren Umkreis waren einst über 40 Buntsandsteinbrüche angesiedelt. Aus den überwiegend harten, verkieselten Schichten wurden – neben kostbarem Baumaterial – sogar Säuretröge für die chemische Industrie hergestellt; man lieferte nach Mannheim und Ludwigshafen, sogar bis nach Russland exportierte man die heimischen Produkte. Als die Konkurrenz anderer Baustoffe immer größer wurde, mussten die Steinbrüche in Eberbach und im Neckartal schließen. Im ausgehenden 19. Jahrhundert erlebte der rote Sandstein aus dem Neckartal – der „Neckartäler Hartsandstein“ – eine wirtschaftliche Blütezeit. Das Steinhauergewerbe ermöglichte Hunderte von Arbeitsplätzen, hinzu kamen angegliederte Erwerbszweige, etwa die Herstellung spezieller Abbauwerkzeuge. Ein Großteil der hiesigen Sandsteinbrüche befand sich auf Pleutersbacher, aber auch Schönbrunner Gemarkung.

 

Im Bild ist eine historische Lore zu sehen, wie sie in den Eberbacher Steinbrüchen früher genutzt wurde; sie ist heute vor dem alten Steinbruch am Schneckenweg aufgestellt.

Während viele Steinbrüche schon im 19. jahrhundert angelegt waren, entstand erst relativ spät, im Jahr 1925, das Sandsteinwerk Karl Schmelzer auf der Gemarkung Rockenau. Der Sandsteinbruch, etwa 800 Meter südlich der Ortschaft Rockenau, ist mittlerweile stillgelegt. Einst wurde hier, wie auch am Schneckenweg auf dem Breitenstein, der Pseudomorphosensandstein, bekannter unter dem Namen Bausandstein, gewonnen. Charakteristisch für diese Schicht sind die namengebenden Tongallen, die sich als braune und schwärzliche Flecken im ansonsten massigen Sandstein zeigen oder, wenn sie herauswittern, auch schlichtweg als kleine Löcher erscheinen. Typisch für den Rockenauer Sandsteinbruch-Aufschluss sind markante Wellenrippeln, die auf flussdynamische Prozesse hinweisen, sowie Netzleisten, also ausgefüllte Trockenrisse, die sich – nicht anders als heute – einst im buntsandsteinzeitlichen Schlamm bildeten und später, als der Flusslauf wieder anschwoll, mit sandigen Sedimenten verfüllt wurden.

 

Noch im Jahr 1954 wurde ein Zweigbetrieb des Sandsteinwerks Schmelzer im nördlichen Eberbacher Stadtteil Gaimühle eröffnet. Wie geht es heute weiter mit den Eberbacher Sandsteinbrüchen? Im Lauf des 20. Jahrhundert, nachdem der Boom der Sandsteinverarbeitung zerbröckelt war, haben nach und nach alle Steinbrüche Eberbachs ihren Abbau eingestellt. Die zwei Schmelzerschen Sandsteinbrüche blieben als letzte Vertreter des einst großen Wirtschaftszweigs bis ins frühe 21. Jahrhundert erhalten. Wie der Steinbruch bei Gaimühle befindet sich auch der Rockenauer Bruch seit 2009 im Besitz des Bamberger Natursteinwerks Hermann Graser. Die hier abgebauten Neckartäler Sandsteine sollen weiterhin zu Restaurierungszwecken historischer Gebäude genutzt werden können. Die Eberbacher Produktion wurde allerdings eingestellt und zukünftig wird Neckartäler Sandstein nur noch im Bamberger Werk verarbeitet.

 

Bedeutung werden die Eberbacher Steinbrüche zukünftig nicht nur für den Naturschutz, sondern auch für die touristische Inwertsetzung haben. Das zeigt sich bereits am Schneckenweg auf dem Breitenstein, der immerhin als "Geopunkt" im Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald und mit Tafeln des Naturparks Neckartal-Odenwald ausgestattet wurde, um seiner geologischen und kulturgeschichtlichen Bedeutung gerecht zu werden. Doch auch viele andere der aufgelassenen Eberbacher Steinbrüche bieten sich für eine geotouristische Erschließung an.

 

Noch ein Tipp: Besuchen Sie auch die Dauerausstellung im Eberbacher Stadtmuseum mit dem Themenbereich "Sandsteingewinnung und -berarbeitung"!

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